Die Saison ist eröffnet - Rennbericht vom 2. und 3. März!
Nach einer hektischen letzten Woche mit Generalstreiks in Griechenland, letzten Rennvorbereitungen, technischen Pannen und anspruchsvollen Intervalltrainings konnte ich am vergangenen Samstag endlich meine Rennsaison hier in Rhodos eröffnen. Auf dem Programm stand die erste Etappe der "Visit South Eagon Island Tour" mit 180 Kilometern Renndistanz und einigen Höhenmetern, was keinen einfachen Einstieg versprach.
Der Startschuss erfolgte um 11:30 Uhr im Velodrom mitten in Rhodos, leider war uns auch das Wetter am Renntag nicht freundlich gestimmt. Aus dem gemeldeten leichten Nieselregen wurde schnell ein kompletter Wolkenbruch, der die generelle Anspannung im Fahrerfeld noch zusätzlich verstärkte. Angriff um Angriff wurde lanciert, aber es gelang vorerst niemandem aus dem Feld auszubrechen.
Schulter an Schulter versuchte ich mich stets im vorderen Teil des Pelotons aufzuhalten, um möglichen Stürzen ausweichen zu können. Im ersten richtigen Anstieg lancierten ich die erste Attacke indem ich meinem Teamkameraden Eric an die Spitze des Feldes führte und er rund 1000 Meter vor der Bergwertung mit voller Kraft losspurtete. Überrascht von der plötzlichen Tempoverschärfung verloren unsere Konkurrenten einige Meter und es öffnete sich eine Lücke. Leider war Erics Attacke etwas zu ambitioniert und rund 300 Meter vor der Wertung schwanden seine Kräfte, und er wurde vom anstürmenden Feld überrollt. Nun ja, wer nicht wagt, der nicht gewinnt...
Im restlichen Rennverlauf hatten wir neben diversen technischen Problemen und Stürzen zweier Fahrer auch sonst kein Glück. Nach der letzten Bergwertung, etwa 30 Kilometer vor dem Ziel, fuhren noch rund 50 Fahrer um den Sieg. Neben Red, unserem Sprinter, war auch Jonah, ein starker Allrounder, und ich dabei. Da die Zielankunft mit einem rund 3-minütigen Anstieg endete, der perfekt auf Reds Stärken zugeschnitten war, reihten wir uns für den Positionskampf der letzten Kilometer in seinen Dienst. Etwa 1000 Meter vor der Ziellinie befand sich eine gefährliche Linkskurve, bei der eine Positionierung in den ersten paar Rädern automatisch zu einem guten Ergebnis führen würde.
Mit bereits etwas angeschlagenen Beinen sammelte ich meine Kameraden am linken Strassenrand auf und positionierte mich dicht hinter dem führenden Team Voralberg aus Österreich. Dann, etwa 1000 Meter vor der entscheidenden Kurve, galt es für mich, Ellbogen raus und alle Energiereserven zu mobilisieren. Mit der Zunge schier den Lenker berührend, ging es mit 75 km/h auf die Schlüsselstelle zu. Dank grossem Kraftaufwand schaffte ich es, meine Teamkameraden in vierter Position in die Kurve zu manövrieren und war sicher, unserem Sprinter damit die Möglichkeit auf den Sieg verschafft zu haben.
Nach kurzem Verschnaufen hörte ich vor mir berstendes Carbon und lautes Gefluche. Einige Fahrer waren in einen Sturz verwickelt, bei dem zu meiner grossen Enttäuschung auch unsere Tageshoffnung Red durch Fremdverschulden vom Rad gehoben wurde.
Shit happens! Aber ein Denkzettel, wie nah Erfolg und Niederlage im Radsport beisammen liegen und wie wenig beeinflussbar das Erreichen der gesetzten Ziele doch ist.
Kommen wir noch zum Sonntag, der zweiten Etappe des Rennens. Gestriges Programm: 175 Kilometer mit 1600 Höhenmetern. Nach einem etwa 40 Kilometer langen Flachstück gallt es 6 Runden mit anspruchsvollen Bergwertungen zu absolvieren.
Meine Aufgabe war es, mich und das Team in der Fluchtgruppe zu präsentieren. Mit diesem Ziel vor Augen startete ich ins Rennen, reihte mich schon in der neutralisierten Phase ganz vorne ein und wärmte mich vor Rennbeginn richtig auf. Mit dem Fall des Startschusses lancierte Jonah bereits die erste Attacke. Er sprintete direkt nach Freigabe des Rennens mit voller Kraft los, und als seine Kraftreserven aufgebraucht waren, setzte ich nach, um möglichst schnell vom Feld wegzukommen.
Ganz so einfach wollten sich unsere Konkurrenten jedoch nicht geschlagen geben, und ein wilder Kampf entbrannte. Attacke um Attacke wurde gestartet, mal rechts, mal links, immer verschiedene Teams und Fahrer. Da man nie wusste, wann der entscheidende Vorstoss passieren würde und man oft von anderen Fahrern blockiert wurde und nicht rechtzeitig reagieren konnte, schaltete ich auf Rennmodus-Brechstange. Mit grossem Energieaufwand versuchte ich, jedem Angriff zu folgen und falls möglich, selbst die Initiative zu ergreifen und meine eigenen Attacken zu platzieren.
Einige male mit Erfolg und ich konnte mich alleine oder in kleinen Gruppen vom Feld absetzen, aber leider harmonierten die Ausgebrochenen Fahrer nie ausreichend, und die Ausreisser wurden stets wieder vom Feld eingeholt. Erst nach knapp einer Stunde Rennzeit mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km/h löste sich eine 3-köpfige Gruppe. Glücklicherweise bemerkte ich die Situation in letzter Sekunde, denn ich kannte die Qualitäten der ausgebrochenen Fahrer und vermutete, diese so schnell nicht wiederzusehen.
Dementsprechend mobilisierte ich all meine Kräfte und sprintete, halb vom Gebüsch blockiert, hinterher. Zusätzlich versperrte mein Teamkamerad hinter mir den Weg, um anderen Fahrern die Verfolgung zu erschweren, und tatsächlich konnte ich mich vom Feld lösen und mit grossem Energieaufwand zur Fluchtgruppe aufschliessen.
Leider hatten wir auch hier einen Passagier an Bord: ein Fahrer des Teams Coop, das in der Gesamtwertung führte, verweigerte seine Ablösungen, was zu einigen hitzigen Kommentaren führte. Nichtsdestotrotz traten wir in die Pedale und vergrösserten unseren Vorsprung auf 2 Minuten und 30 Sekunden.
Entsprechend erstaunt waren wir, als uns der Kommissar plötzlich mitteilte, eine weitere Gruppe sei aus dem Feld ausgerissen und würde nun mit 20 Sekunden Rückstand hinter uns herrollen. Als wir von der 18 Mann starken Gruppe eingeholt wurden, war der Fall jedoch klar: Offenbar hatte Astana, die Zweitplatzierten der Gesamtwertung, ein Höllentempo angeschlagen, welches das Fahrerfeld komplett in Stücke riss, und nur die stärksten Fahrer an der Spitze verbleiben liess.
Etwas ängstlich vor der nächsten Bergwertung, aufgrund doch etwas angebrauchten Energielevels, stellte ich mich erneut darauf ein, die Brechstange auszupacken. Es kam mir sehr gelegen, dass kurz vor dem Anstieg eine Sprintwertung mit Bonussekunden festgelegt wurde, bei der die vertretenen GC-Anwärter allesamt um die Wette sprinteten. Ich folgte möglichst effizient ihren Rädern und attackierte kurz nach der Wertung erneut, um gemeinsam mit zwei anderen Fahrern wieder das Weite zu suchen. Die erschöpften Favoriten verpassten es zu reagieren, und tatsächlich gelang es uns, weitere 60 Kilometer vor dem Peloton auszuharren und neben einem weiteren Sprint auch zwei weitere Bergwertungen untereinander auszufechten.
Rund 25 Kilometer vor dem Ziel war die Flucht jedoch zu Ende, und wir wurden vom Feld eingesammelt. Ich stellte mich erneut in den Dienst der Mannschaft und versuchte, sie auch für die letzte Schlüsselstelle optimal zu positionieren, wobei mir dazu dann doch die nötigen Kraftreserven mangelten. Trotzdem sprintete Red bei der anspruchsvollen und ihm gar nicht entsprechenden Bergankunft auf den 13. Rang.
Alles in allem war es ein gelungener Renntag, und ich bin besonders stolz darauf, einen im Voraus gesetzten Plan im Rennen entsprechend umgesetzt zu haben. Jetzt steht erstmal die Erholung im Vordergrund, bevor es nächsten Samstag erneut ernst gilt.
Bis bald und Grüss
留言